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Arbeitsvertrag

Sabine Steiger-Sackmann


Erstveröffentlicht: December 2020

Der Einzelarbeitsvertrag regelt Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis. Der privatrechtliche Einzelarbeitsvertrag ist im Obligationenrecht geregelt. Anstellungsverhältnisse beim Bund, bei Kantonen und Gemeinden sowie öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten (wie Universitäten, öffentliche Spitäler, Kehrrichtabfuhr usw.) unterliegen hingegen den jeweiligen öffentlich-rechtlichen Personalgesetzen (z. B. gilt das Bundespersonalgesetz für das Personal der Bundesverwaltung). Allerdings verweisen manche Personalgesetze direkt auf das Obligationenrecht, oder man muss darauf zurückgreifen, wenn eine notwendige Bestimmung im Personalrecht fehlt – wie bspw. zum Arbeitszeugnis.

Im Arbeitsvertragsrecht gilt grundsätzlich Vertragsfreiheit, d. h. Beginn, Inhalt und Ende des Vertrages können die Parteien vereinbaren. Das Obligationenrecht bildet dafür den Rahmen. Es enthält je nach Wortlaut dispositive oder zwingende Normen. Von dispositiven Normen dürfen die Vertragsparteien abweichen; von zwingenden Normen grundsätzlich nicht. Allerdings gibt es auch relativ zwingende Normen, von denen individuelle Vereinbarungen nur zugunsten der Arbeitnehmenden, nicht aber zugunsten von Arbeitgebenden abweichen dürfen.

Der Abschluss eines Arbeitsvertrages unterliegt keinen gesetzlichen Formvorschriften – mit Ausnahme des Lehrvertrags. Ein Einzelarbeitsvertrag kann also auch mündlich auf bestimmte oder unbestimmte Zeit abgeschlossen werden. Befristete Verträge enden durch Zeit­ablauf und bedürfen keiner Kündigung. Wird ein befristetes Arbeitsverhältnis nach Ablauf der vereinbarten Dauer stillschweigend fortgeführt, gilt es als unbefristetes Arbeitsverhältnis. Das Aneinanderreihen mehrerer befristeter Arbeitsverhältnisse bezeichnet man als Kettenarbeitsvertrag. Die aufeinanderfolgenden befristeten Verträge werden praxisgemäss in einen einheitlichen unbefristeten Arbeitsvertrag umgedeutet, damit Schutzbestimmungen je nach Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht umgangen werden können. Ein unbefristeter Arbeitsvertrag kann von jeder Vertragspartei formlos gekündigt werden, sofern der Arbeitsvertrag nicht eine schriftliche Mitteilung vorsieht. Auf Verlangen muss die kündigende Partei ihre Kündigung schriftlich begründen.

Bei der Beendigung des Arbeitsvertrages sind gesetzliche bzw. vertragliche Kündigungsfristen zu beachten. Liegen wichtige Gründe vor, welche die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar machen, kann jede Partei das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen. Während gesetzlich definierten Sperrzeiten ist eine Kündigung durch die andere Partei nichtig oder führt zu einem Aufschub des Vertrags­endes. Solche Sperrzeiten bestehen etwa während der Schwangerschaft und 16 Wochen nach der Niederkunft oder während einer zeitlich limitierten Dauer der Arbeitsunfähigkeit.

Trotz grundsätzlicher Kündigungsfreiheit können missbräuchliche Kündigungen sanktioniert werden. Erfolgt bspw. eine Kündigung aus Rache, weil Mitarbeitende in nachvollziehbarer Weise Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis geltend machen, können sich diese innert einer Frist mit Berufung auf Rechtsmissbrauch wehren. Sachliche Schranken für Kündigungen bestehen auch bei Arbeitnehmenden, welche sich gewerkschaftlich oder als betriebliche Vertretung der Belegschaft betätigen, und bei Massenentlassungen. Das Arbeitsverhältnis wird allerdings trotz Missbräuchlichkeit der Kündigung beendet, aber die gekündigte Partei hat Anspruch auf eine finanzielle Entschädigung. Diese ist gesetzlich begrenzt auf einen Betrag, der sechs Monatslöhnen entspricht. Tatsächlich sprechen die Gerichte in Streitfällen meist nur Entschädigung im Umfang von zwei bis drei Monatslöhnen zu. In der Schweiz sind bei einer Kündigung also weder Vertretungen der Arbeitnehmenden noch Behörden involviert.

Arbeitgebende haben ihren Arbeitnehmenden den Lohn zu entrichten, der verabredet, üblich oder durch Normalarbeitsvertrag bzw. Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist. Die Vereinbarung des Lohnes ist in der Schweiz Verhandlungssache mit Ausnahme der wenigen Mindestlohngrenzen. Als Gegenleistung für das Erbringen der Arbeit werden üblicherweise Monats- oder Stundenlöhne teilweise mit flexiblen Lohnkomponenten wie Umsatz-, Gewinnbeteiligung oder Prämien für das Erreichen bestimmter Ziele vereinbart. Kommen Arbeitgebende ihrer Lohnzahlungspflicht nicht vollständig nach, können Arbeitnehmende die Arbeit verweigern und die Betreibung einleiten, aber nur unter gewissen Bedingungen fristlos kündigen.

Im Allgemeinen gilt der Grundsatz: ohne Arbeit kein Lohn. Arbeitgebende sind jedoch zur Entrichtung des Lohnes im bisherigen Umfang auch dann verpflichtet, wenn Arbeitnehmende unverschuldet an der Arbeitsleistung verhindert sind aus Gründen, die in ihrer Person liegen wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten, nicht aber bei Verkehrsproblemen oder Unwetter. Die Lohnfortzahlungspflicht besteht nur, wenn das Arbeitsverhältnis für mehr als drei Monate befristet eingegangen worden ist oder bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit mehr als drei Monate gedauert hat. Als Dauer der Lohnfortzahlung nennt das Obligationenrecht nur für das erste Dienstjahr ein Minimum von drei Wochen. Die Gerichtspraxis musste die angemessene Dauer abhängig von der Betriebstreue festlegen. Danach endet die Lohnfortzahlung selbst bei über zwanzigjähriger Anstellung nach sechs Monaten.

Arbeitgebende haben neben ihren finanziellen Pflichten eine Fürsorgepflicht. Danach sind die berechtigten Interessen der Arbeitnehmenden zu wahren und es ist alles zu unterlassen, was deren Interessen schädigen könnte. Viele Aspekte der Fürsorgepflicht sind im Gesetz erwähnt, wie der Schutz von Leben, Gesundheit, Persönlichkeit und sexueller Integrität, der Datenschutz, die Pflicht zur Gleichstellung der Geschlechter, die Pflicht zur Gewährung von Freizeit, Ferien, die Pflicht zum Schutz des Vermögens, die Pflicht zur Ausstellung eines Arbeitszeugnisses sowie die Pflicht zur Information über Eckdaten des Arbeitsverhältnisses.

Arbeitnehmende sind verpflichtet, die vereinbarte Arbeit mit gehöriger Sorgfalt zu leisten und die Interessen ihrer Arbeitgebenden in guten Treuen zu wahren. Diese allgemeine Treuepflicht wird durch verschiedene Gesetzesbestimmungen konkretisiert, wie die Geheimhaltungspflicht, die Rechenschafts- und Herausgabepflicht sowie die Pflicht zur Leistung von Überstunden. Diese über das vertraglich vereinbarte Pensum geleisteten Stunden müssen zeitlich kompensiert oder mit einem Zuschlag von 25 % finanziell entschädigt werden, wenn nichts anderes vereinbart wurde.

Eine Besonderheit des Schweizer Arbeitsvertragsrechts im internationalen Vergleich ist die grundsätzliche Anwendbarkeit der Bestim­mungen auf sämtliche Arbeitsverträge unabhängig von Stellung und Lohnhöhe der Arbeitnehmenden. Für sogenannte Scheinselbstständige gibt es keine besonderen Normen. Ihre Vertragsverhältnisse werden als Arbeitsvertrag qualifiziert, wenn ein Subordinationsverhältnis besteht und sie nicht eindeutig einer anderen Vertragsart wie Auftrag oder Werkvertrag zuzuordnen sind.

Zur Kritik am Arbeitsvertragsrecht gibt die grosse Kündigungsfreiheit immer wieder Anlass. Derzeit wird in der Schweiz die Verbesserung des Kündigungsschutzes für Whistleblower und gewerkschaftlich engagierte Arbeitnehmende diskutiert. Es ist geplant, die Entschädigung für missbräuchliche Kündigungen von sechs auf zwölf Monatslöhne anzuheben, um die abschreckende Wirkung der Sanktion zu verstärken. Mehrere parlamentarische Vorstösse verlangen eine Verbesserung der Situation für ältere Arbeitnehmende. Diese sind im Vergleich zu Jüngeren zwar nicht stärker von Kündigungen betroffen, sie finden aber danach deutlich länger keine neuen Stellen.

Für die in der Schweiz mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind u. a. auch die arbeitsrechtlichen Bestimmungen verantwortlich. So besteht bspw. kein Anspruch auf Reduktion des Arbeitspensums aus familiären Gründen.

Literaturhinweise

Vischer, F. & Müller, R. A. (2014). Der Arbeitsvertrag (4., erw. Aufl.). Basel: Helbing Lichtenhahn.

Wyler, R. & Heinzer, B. (2014). Droit du travail (3e éd.). Berne: Stämpfli.

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