Gesundheitsausgaben
Gemäss Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) über die Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens bewegen sich die Gesundheitsausgaben in der Schweiz seit der Jahrtausendwende zwischen 10 und 12 % des Bruttoinlandproduktes. Pro Kopf betrugen sie 2017 rund 10 000 Franken. Der stationäre Sektor mit Spitälern und Heimen trägt 45 % zu den Gesundheitsausgaben bei, die ambulanten Leistungen von Ärztinnen und Ärzten, Spitalambulatorien, Pflegenden und Therapeutinnen und Therapeuten machen 35 % aus. Zehn Prozent gehen auf das Konto von Apotheken und anderen Verkaufsstellen für Gesundheitsgüter, weitere acht Prozent werden für Verwaltung und andere Leistungen ausgegeben. Nur gerade zwei Prozent verbleiben laut dem BFS für die Prävention. Zu den Gesundheitsausgaben wären auch die indirekten Kosten von Krankheit hinzuzurechnen, wie z. B. Produktionsverluste oder informelle Pflegeleistungen von Angehörigen. Die indirekten Kosten dürften mindestens nochmals so hoch sein wie die direkten Ausgaben.
Die Gesundheitsfinanzierung in der Schweiz ist geprägt durch eine Vielfalt an Tarifen und Vergütungsmodellen. Für die ambulanten Leistungen in Arztpraxen und Spitälern gilt seit 2004 der Einzelleistungstarif TARMED. Aufgrund der technologischen Entwicklungen in der Medizin beinhaltet der TARMED inzwischen eine relative Übervergütung technischer Leistungen wie Röntgen oder chirurgischer Eingriffe und eine Untervergütung von einfachen Untersuchungen oder Gesprächen. Eine Revision, die kostenneutral erfolgen sollte und zugleich eine Stärkung der medizinischen Grundversorgung zum Ziel hatte, scheiterte 2016 vorläufig am Widerstand von Interessengruppen, denen sowohl ärztliche Fachgesellschaften wie auch Krankenversicherer angehören. Der TARMED setzt tendenziell Anreize für Überbehandlungen, da jede medizinische Intervention einzeln vergütet wird.
Im stationären Bereich der Akutspitäler gilt seit 2012 der Pauschaltarif SwissDRG (DRG = Diagnosis Related Groups). Für die Berechnung der Fallpauschalen werden Patientinnen und Patienten aufgrund ihrer Diagnosen und anderer Eigenschaften wie Alter und Pflegebedürftigkeit einer Fallgruppe zugeteilt. Die Spitäler erhalten pro Fall einen fixen Betrag, der sich aus dem durchschnittlichen Behandlungsaufwand der entsprechenden Fallgruppe (Kostengewicht) und dem zwischen Spitälern und Kostenträgern ausgehandelten Tarif (Basispreis) zusammensetzt. Die SwissDRG sind wegen ihrer Anreize zu ökonomischem Handeln bei Gesundheitsfachleuten umstritten. Tatsächlich erwartete die Politik von der Einführung der neuen Spitalfinanzierung mehr Kosteneffizienz und eine Intensivierung des Wettbewerbs zwischen den Spitälern. Die Auswirkungen auf die Kosten, die Versorgungsqualität, die Patientenzufriedenheit und die Arbeitsbedingungen des Spitalpersonals werden in Begleitstudien untersucht. Erste Resultate deuten auf eine Zunahme des administrativen Aufwands in den Spitälern, einen verstärkten Wettbewerb um lukrative Fälle sowie eine Verschiebung von Leistungen und Kosten in nachgelagerte Bereiche wie die Langzeitpflege hin.
Ein weiteres Element der seit 2012 geltenden Spitalfinanzierung ist die Aufteilung der Spitalkosten bei grundversicherten Patientinnen und Patienten zwischen Krankenkassen und Kantonen. Letztere tragen 55 % zu den stationären Kosten bei, während im ambulanten Bereich die Krankenkassen die volle Rechnung begleichen. Dieses Finanzierungsregime führt dazu, dass ambulant durchgeführte Behandlungen zu höheren Kosten für die Krankenversicherer führen können, obwohl sie insgesamt günstiger sind.
Wiederum andere Finanzierungsregimes gelten für die Pflegeheime, die stationäre Rehabilitation und die Psychiatrie. Hier gelten Tagespauschalen, die in den Pflegeheimen nach Grad der Pflegebedürftigkeit abgestuft sind. Die Pflegebedürftigen bezahlen 20 % der Pflegekosten sowie die Kosten für Betreuung und «Hotellerie» aus der eigenen Tasche, was leicht zwischen 5 000 und 10 000 Franken pro Monat ausmachen kann. Wenn das eigene Einkommen nicht ausreicht und ein Vermögensfreibetrag unterschritten wird, besteht Anspruch auf Ergänzungsleistungen zur AHV bzw. IV. Für die Finanzierung der stationären Rehabilitation und Psychiatrie sind für die nächsten Jahre ebenfalls Fallpauschalen oder allenfalls Mischformen zwischen Tages- und Fallpauschalen geplant.
Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern fällt für die Schweiz auf, dass die Bevölkerung einen sehr hohen Anteil der Gesundheitsausgaben direkt aus der eigenen Tasche bezahlt. Die Gesundheitsfinanzierung erfolgt zu 37 % aus der sozialen Grundversicherung, zu 20 % aus (vorwiegend kantonalen) Steuergeldern und zu 28 % aus Eigenleistungen der Haushalte (out of pocket). Die Eigenleistungen beinhalten Selbstbehalte und Franchisen, Kosten, die nicht durch die Krankenversicherung vergütet werden (z. B. nicht verordnete Medikamente und Zahnärzte) sowie die privaten Kostenanteile in der Langzeitpflege.
Der Anteil der sozialen Grundversicherung wird aus einkommensunabhängigen Kopfprämien finanziert. Die dadurch verursachte stark regressive Gesundheitsfinanzierung wird durch die steuerfinanzierten Spitalbeiträge, Prämienverbilligungen und Ergänzungsleistungen nicht kompensiert. Diese Situation wird durch die Verschiebung von Leistungen vom stationären in den ambulanten Bereich noch verschärft, weil die ambulante Medizin (nach Abzug von Franchise und Selbstbehalt) vollumfänglich durch die Krankenversicherung finanziert wird. Sie bewirkt eine Entwicklung, die zwar politisch gewollt und auch im Interesse der Patientinnen und Patienten sein dürfte, jedoch quasi als «Nebeneffekt» eine grössere Finanzierungslast für die unteren Einkommensschichten mit sich bringt.
Die unterschiedlichen Finanzierungsschlüssel für die stationäre und die ambulante medizinische Versorgung haben seit einigen Jahren ein überdurchschnittliches Prämienwachstum in der sozialen Krankenversicherung zur Folge. Die Krankenkassenprämien sind seit der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes 1996 deutlich stärker gestiegen als die Gesundheitskosten insgesamt. Weder die Löhne noch die Prämienverbilligungen haben mit dem Prämienwachstum schrittgehalten, so dass die Belastung der Haushaltsbudgets durch die Krankenkassenprämien vor allem im unteren und mittleren Einkommenssegment stark angewachsen ist und das verfügbare Einkommen sinkt. Dies wird zu einer sozialpolitischen Zerreissprobe, die mit einer Angleichung der Finanzierungsregimes im stationären und ambulanten Bereich wenigstens teilweise entschärft werden könnte. Um eine wirksame Entlastung der einkommensschwachen Haushalte zu erreichen, müssten die Kantone zudem ihre Prämienverbilligungssysteme ausbauen und vereinheitlichen.
Die Pro-Kopf-Ausgaben für die Gesundheit sind im internationalen Vergleich zwar relativ hoch, doch hat die Kostenentwicklung in den letzten 15 Jahren keineswegs eine «explosionsartige» Zunahme erfahren, wie vielfach zu hören ist. Allerdings könnte sich die Situation in den kommenden Jahren wegen der demografischen Entwicklung verändern. Die Zahl der Todesfälle blieb in der Schweiz trotz des Bevölkerungswachstums seit Ende der 1970er Jahre bei rund 60 000 pro Jahr stabil. Dies wurde möglich durch die steigende Lebenserwartung. Mit dem Eintritt der Generation der «Babyboomer» ins hohe Alter werden die Sterbefälle bis in die 2040er und 2050er Jahre stark zunehmen. Da die Gesundheitskosten am Lebensende normalerweise am höchsten sind, dürfte diese Entwicklung auch zu einer Beschleunigung des Kostenwachstums führen. Wie stark diese Wirkung tatsächlich ist, hängt auch von den Entwicklungen in der Alters- und Palliativmedizin ab.
Literaturhinweise
Bundesamt für Statistik (2016). Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens 2014: Definitive Daten. Neuenburg: Bundesamt für Statistik.
Meyer, B., Rohner, B., Golder, L., Longchamp, C., (2016). Administrativer Aufwand für Ärzte steigt weiter an. Schweizerische Ärztezeitung, 97(1), 6–8.
Wieser, S., Tomonaga, Y., Riguzzi, M., Fischer, B., Telser, H., Pletscher, M., Eichler, K., Trost, M., Schwenkglenks, M. (2014). Die Kosten der nichtübertragbaren Krankheiten in der Schweiz: Schlussbericht. Winterthur: Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie ZHAW.