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Qualitätsmanagement

Alberto Gandolfi

Originalversion in italienischer Sprache


Erstveröffentlicht: December 2020

Der Begriff der Qualität lässt sich auf diverse Arten definieren. Die ISO (International Organization for Standardization) versteht darunter «die Gesamtheit von Merkmalen einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, explizite und implizite Erfordernisse zu erfüllen». In jeder privaten oder staatlichen Organisation stellt sich das Problem des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung (Quality Management bzw. Quality Assurance). In grossen Unternehmen wird diese Funktion von einer speziellen Abteilung wahrgenommen, die über die Systeme und Instrumente verfügt, um ein vordefiniertes Qualitätsniveau der angebotenen Produkte oder Dienstleistungen zu erreichen.

Das Konzept des Qualitätsmanagements stammt aus der Industrie und wurde insbesondere in Bereichen vorangetrieben, in denen die technische Qualität (und die Sicherheit) der Produkte von fundamentaler Bedeutung ist, etwa in der Flugzeug-, der Auto- und der Pharmaindustrie. Wesentliche Instrumente und Ansätze entstanden ab den 1950er Jahren in Japan und führten zum Konzept des Total Quality Management (TQM) und zur Forderung, dass jede Tätigkeit im Unternehmen optimiert und möglichst standardisiert werden sollte, um gegenüber der Kundschaft ein Höchstmass an Qualität gewährleisten zu können.

1987 wurde die bedeutendste internationale Norm für Qualitätsmanagement veröffentlicht: ISO 9001. Im Laufe der Jahre hat sich diese Norm weiterentwickelt (die letzte Aktualisierung erfolgte 2015) und hat sich allmählich von ihren industriellen Wurzeln gelöst, indem sie «universeller» und auch im Dienstleistungssektor sowie im Non-Profit-Bereich anwendbar wurde. In der neusten Version der Norm bezieht sich das Qualitätsmanagement auf das Management des Arbeitsprozesses. Die Grundidee besteht darin, dass Unternehmen nur dann eine im Zeitverlauf unveränderte Qualität gewährleisten können, wenn sie über die vollständige Kontrolle der Prozesse verfügen.

Ab den 1980er Jahren fanden Qualitätsmanagementkonzepte Eingang in öffentliche Einrichtungen wie Spitäler, Schulen, staatliche Verwaltungsstellen und soziale Institutionen. In den meisten dieser Sektoren wurden spezifische Referenzmodelle entwickelt. Das Qualitätsmanagement ist ein wichtiges Element des New Public Management (NPM), der richtungsgebenden Philosophie für die umfassende Verwaltungsreform, welche Anfang der 1980er Jahre in vielen europäischen Ländern und den Vereinigten Staaten eingeleitet wurde. Das NPM hält den öffentlichen Sektor dazu an, Managementtechniken zu übernehmen, die sich im privaten Sektor bewährt haben, darunter der Fokus auf Effizienz und Effektivität, die Steuerung von Outputs und Outcomes sowie die Einführung von Markt- und Wettbewerbsmechanismen.

In der Schweiz wurde die NPM-Philosophie auf Bundesebene mit der «wirkungsorientierten Verwaltungsführung» (results-based management, RBM) eingeführt, das darauf abzielt, das staatliche Handeln in Richtung messbarer Leistungen (oder Qualitätsniveaus) zu lenken, Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf angemessene Weise an Verwaltungseinheiten zu delegieren, die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen und im privaten Sektor übliche Managementinstrumente einzusetzen. In der Botschaft vom 24. November 2004 zur Änderung des Bundesgesetzes über den eidgenössischen Finanzhaushalt (FHG) stellte der Bundesrat seine RBM-Strategie vor. Die wichtigsten Elemente dieser Strategie ergeben sich direkt oder indirekt aus der Philosophie des Qualitätsmanagements, beispielsweise die Betrachtung der Bürgerinnen und Bürger als Kundinnen und Kunden, die Verknüpfung von Leistungen und Ressourcen (Effizienz) oder das Management über Budgetvorgaben und Leistungsvereinbarungen. Das letztgenannte Instrument ist für die Umsetzung des RBM entscheidend und sieht nebst den finanziellen Aspekten auch die Festlegung und Einhaltung von Mindestqualitätsniveaus vor. Zu diesem Zweck sind alle öffentlichen Stellen angehalten, spezifische Qualitätsmanagementsysteme einzurichten.

Aufgrund positiver Erfahrungen mit Pilotprojekten haben viele öffentliche Stellen das Konzept übernommen und Qualitätsmanagementsysteme eingeführt. Zu den ersten gehörten die Spitäler, deren Prozesse und erforderlichen Qualitätsniveaus mit einer gewissen Präzision festgelegt und kontrolliert werden können. Ungeachtet des hohen Versorgungs­niveaus in der Schweiz soll die Qualität der Versorgung verbessert und die Zahl vermeidbarer Behandlungsfehler und medizinischer Unfälle, wie nosokomiale Infektionen, falsche pharmakologische Behandlungen, Fehldiagnosen oder Fehler im Operationssaal, verringert werden. Mit der Umsetzung der Qualitätsstrategie will der Bundesrat seine Führungsrolle, die er gemäss den gesundheitspolitischen Prioritäten (Gesundheit 2020) spielt, stärken. Zu den tragenden Säulen dieser Strategie gehört die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems in jedem Spital. Viele Spitäler haben die Norm ISO 9001 übernommen oder andere allgemeine (wie das von der European Foundation for Quality Management entwickelte europäische Modell) oder spezifisch auf den Gesundheitssektor ausgerichtete Modelle (wie dasjenige der amerikanischen Joint Commission) eingeführt.

Seit den 1990er Jahren haben auch Bildungseinrichtungen (beginnend mit Universitäten und Berufsschulen) sowie Sozial- und Gesundheitseinrichtungen derartige Systeme entwickelt. Ein Beispiel dafür ist QuaTheDA (Qualität Therapie Drogen Alkohol), ein Projekt des Bundesamts für Gesundheit für die Suchthilfe, Prävention und Gesundheitsförderung, das das Vertrauen in die Dienstleistungen der in diesem Bereich tätigen Organisationen stärken soll. Diese Qualitätsnorm basiert auf der Bewertung der spezifisch im Bereich der Suchtbekämpfung erreichten Qualitätsniveaus. Im Bereich der Sozialpolitik hat ferner das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) am 1. Januar 2000 die Norm «BSV/IV-2000» erlassen, die die Kriterien für Qualitätsmanagementsysteme in Einrichtungen, die Menschen mit Behinderungen betreuen, festlegt. Die Grundsätze dieses Systems orientieren sich an der Norm ISO 9001. Parallel dazu wurden auch weniger «betriebswirtschaftliche» Modelle ausgearbeitet, zum Beispiel in der Deutschschweiz das Modell «Wege zur Qualität», das anthroposophisch ausgerichtet ist.

Die Übertragung der Unternehmenslogik auf den öffentlichen und sozialen Bereich wirft viele berechtigte Fragen nach der Eignung der entsprechenden Instrumente auf. Die Debatte ist im Gang, wobei die bisherigen Erfahrungen in den sozialen Einrichtungen eine differenzierte Antwort nahelegen. Zum einen ist die Logik des Qualitätsmanagements auch im öffentlichen Bereich anwendbar (insbesondere, was die Prozesse der Organisation und des Managements von Institutionen betrifft). Zum andern kann eine übermässige Formalisierung der Tätigkeiten, insbesondere im Bereich der Begleitung und Betreuung, zu übermässigen Einschränkungen im Handlungsspielraum und der Entscheidungsfreiheit des Personals führen. Im Gegensatz zu industriellen Prozessen ist die Tätigkeit sozialer Institutionen durch eine breite Vielfalt von Anforderungen und Situationen gekennzeichnet, deren emotionale und zwischenmenschliche Aspekte eine Beurteilung von Fall zu Fall erfordert. Die Herausforderung besteht folglich darin, Konzepte des Qualitätsmanagements zu finden, die dieser Komplexität Rechnung tragen, wenn Prozesse formalisiert und die Qualitätsniveaus von Leistungen gemessen werden.

Ein weiterer grosser Unterschied besteht in der Schwierigkeit, den Gesichtspunkt der Betroffenen zu erfassen, insbesondere wenn es sich um Menschen mit Behinderungen handelt und neue Kommunikationsansätze zum Thema Qualität entwickelt werden müssen. In der Forschung besteht Einigkeit darüber, dass im sozialen Bereich die menschlichen Beziehungen – zwischen Betroffenen, Personal und Institutionen – Vorrang vor den formalen Aspekten der Einhaltung von Normen und Regeln haben sollten.

Literaturhinweise

Broekmate, L., Dahrendorf, K. & Dunker, K. (2001). Qualitätsmanagement in der öffentlichen Verwaltung. München: Jehle.

Mainardi, M., Gandolfi, A., Parini, C. & Balerna, C. (2010). Bilancio critico sull’introduzione dei sistemi di gestione della qualità negli istituti per persone adulte con disabilità. Manno: SUPSI.

Peterander, F. & Speck, O. (2004). Qualitätsmanagement in sozialen Einrichtungen (2., völlig neu bearb. Aufl.). Basel: E. Reinhardt.

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