Spitäler
Für die Planung der bedarfsgerechten Spitalversorgung sind gemäss Artikel 39 des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) die Kantone verantwortlich. Gesteuert wird die Spitalplanung über kantonale Spitallisten. Die Spitallisten definieren, welche Spitäler welche Leistungen nach der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) verrechnen dürfen.
Um Leistungsaufträge dürfen sich öffentliche und private Spitäler bewerben. Als öffentliche Spitäler gelten gemäss Bundesamt für Statistik jene, die von einer öffentlichen Körperschaft betrieben werden. Alle anderen Spitäler gelten als privat, auch jene, die zwar im öffentlichen Eigentum sind, rechtlich aber über eine eigene Rechtsform verfügen, beispielsweise eine (gemeinnützige oder gewinnorientierte) Aktiengesellschaft im Besitz einer Gemeinde oder eines Verbundes von Gemeinden oder eines Kantons. Mit dem Kostendruck und dem verschärften Wettbewerb steigt der Druck auf die Spitäler, die Leistungen mindestens kostendeckend zu erbringen, je nach Trägerschaft sogar gewinnbringend.
Spitäler gibt es in der Schweiz seit dem frühen Mittelalter. Ursprünglich von geistlichen Institutionen als Fürsorgeeinrichtungen für Bedürftige, Fremde und Aussätzige erstellt und über Stiftungen finanziert, haben sich die Spitäler im Laufe der Jahrhunderte zu einem Grundpfeiler der Gesundheitsversorgung für die gesamte Bevölkerung und ab den 1980er Jahren gleichzeitig zu einem Multimilliardenbusiness entwickelt.
Die obligatorische finanzielle Absicherung bei Krankheit ist heute für alle Bevölkerungsschichten durch das KVG geregelt. Deren Umsetzung obliegt den Kantonen. Jeder Kanton führt eine Spitalliste. Über die Spitalliste regeln die Kantone, in welchen Spitälern innerhalb und ausserhalb des Kantons die Kantonsbewohnerinnen und -bewohner Leistungen nach OKP in Anspruch nehmen können. Krankheitsbedingte Leistungen ausserhalb des OKP-Katalogs müssen von den Patientinnen und Patienten selber, bzw. durch deren Zusatzversicherung übernommen werden.
Um einen Leistungsauftrag zu erhalten, müssen sich öffentliche und private Spitäler bei der zuständigen kantonalen Gesundheitsdirektion um den entsprechenden Leistungsauftrag bewerben. Vergeben werden die Leistungsaufträge nur an Spitäler, welche die für den Leistungsauftrag geforderten Kriterien wie Qualifikation des Personals, spezifische Infrastruktur und Mindestfallzahlen für bestimmte spezialisierte Behandlungen erfüllen.
Die Abgeltung der stationär erbrachten Leistungen erfolgt nach SwissDRG (Swiss Diagnosis Related Groups) über sogenannte Fallpauschalen. SwissDRG ist ein Modell, welches – wie alle Modelle – die Realität nur bedingt abzubilden vermag. Effektiv gibt es rentable und defizitäre Fälle, welche sich nach dem Durchschnittsprinzip ausgleichen sollten. In der Realität zeigt sich, dass «medizinisch komplexe Fälle» und «sozioökonomisch komplexe Fälle» nicht ausreichend vergütet werden. Dies belastet insbesondere die Rechnung von Universitäts- und Zentrumsspitälern, welche komplexe und somit teure Fälle nicht weiter überweisen können und somit eine Funktion als Endversorger übernehmen.
Die «medizinische Komplexität» wird teilweise über gemeinwirtschaftliche Leistungen und höhere Baserates kompensiert. Die Aufwände für eine bedarfsgerechte Behandlung, Pflege und Betreuung von Patientinnen und Patienten mit einem sozioökonomisch komplexen Hintergrund wie multimorbiden Hochbetagten, Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund, Suchtproblematiken, schwierigen Wohnsituationen oder sehr jungen Alleinstehenden in finanziellen Notlagen werden nicht zusätzlich kompensiert. Mit dem steigenden Kostendruck auf die Spitäler – öffentliche und private – akzentuiert sich die Fragestellung, wie viel die Behandlung eines einzelnen Patienten, einer einzelnen Patientin kosten darf, beziehungsweise wie viele defizitäre Leistungen ein Spital bzw. seine Trägerschaft bereit ist, zu tragen.
Die neue Spitalfinanzierung setzt Spitälern Anreize, möglichst effizient zu arbeiten, bzw. die Kosten zu senken und die Erträge zu steigern. Neben der internen Optimierung und Prozessverbesserungen ist die bewusste Positionierung und Selektion von Leistungen eine Möglichkeit, das Ergebnis zu verbessern, das heisst, weniger defizitäre Fälle und mehr lukrative Fälle zu behandeln. Das Gesundheitswesen, dessen eigentlicher Daseinszweck in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung liegt, wird dadurch zu einem Multimilliarden-Markt, dessen Regeln durch Volk und Politik vorgegeben sind, jedoch durch die Akteure (Trägerschaften, Spitäler, Krankenversicherer) innerhalb des Handlungsspielraums interpretiert und je nach Haltung und eigenem Interesse angewendet werden.
Steigende Gesundheitskosten und damit verbunden die Frage nach der Rationierung von Gesundheitsdienstleistungen sind international ein Thema. Die Schweiz zeichnet sich – wenn es um die Finanzierung stationärer Leistungserbringung in Spitälern geht – durch eine duale Finanzierung aus. Das heisst, dass die Krankenversicherer die Leistung zu rund 45 % und die Wohnkantone zu rund 55 % tragen. Die Kosten für die ambulante Leistungserbringung, auch in Spitälern, werden hingegen vollumfänglich von den Krankenversicherern getragen. Medizinische Entwicklung und veränderte Behandlungsmöglichkeiten haben in der Vergangenheit zu einer Verschiebung vom Stationären hin zum Ambulanten geführt, was von den Kantonen – in ihrer Doppelrolle als Planer der bedarfsgerechten Spitalversorgung und Träger von 55 % der Kosten für die stationäre Leistungserbringung – zusätzlich forciert wird. Dies führt zu einer Entlastung der Kantone und der Steuerzahlenden (einkommensabhängige Gesundheitskosten), auf Kosten der Krankenversicherer bzw. der Prämienzahlenden (einkommensunabhängige Gesundheitskosten). Ein derartiges Finanzierungssystem ist in Westeuropa aussergewöhnlich. Weit verbreiteter sind Finanzierungsmodelle über einkommensabhängige Sozialversicherungen (bspw. Deutschland, Österreich, Frankreich) und rein staatlich finanzierte Gesundheitsweisen (bspw. Grossbritannien, Skandinavien, Italien).
Mit der neuen Spitalfinanzierung und der Einführung der Spitallisten wurde eine Konsolidierung der Spitallandschaft in die Wege geleitet, die noch nicht abgeschlossen ist. Kooperationen gewinnen zunehmend an Bedeutung. Spitäler wurden fusioniert und teilweise geschlossen. Zahlreiche Trägerschaften haben ihre Spitäler in eigenständige Rechtsformen überführt. Andere Spitäler sind im Begriff eine neue Rechtsform zu erhalten, je nach politischem Klima mit entsprechendem Resultat. Mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit können Spitäler schneller auf das sich laufend verändernde Umfeld reagieren und unterliegen in den Entscheiden je nach Kontext weniger den politischen Interessen, welche sich nicht immer mit den betrieblichen Interessen decken. Gleichzeitig weckt der Trend zur Verselbstständigung bei Befürwortern der Sozialstaatlichkeit Befürchtungen, dass durch die weitergehende Privatisierung von Spitälern der direkte sozialpolitische Einfluss verloren geht. Ein Einfluss, welcher von Vertretern der Meinung, dass der Staat über eine abgesicherte obligatorische Grundversorgung und eine wirkungsvolle Aufsicht hinaus in einem Gesundheitswesen «nichts verloren hat», ohnehin in Frage gestellt wird.
Die Frage nach der Finanzierung der Gesundheitsversorgung und damit auch die Frage nach der Qualität und der Zugänglichkeit der Gesundheitsversorgung für alle unterliegt einer ständigen Diskussion im Spannungsfeld zwischen Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Entscheidend bleibt – unabhängig von der Rechtsform und der Trägerschaft – die Haltung eines Spitals, seiner Trägerschaft und der Finanzierenden (Staat und Krankenversicherung) im Umgang mit diesem Spannungsfeld, aber auch der politische Wille, die Kosten für die medizinische und sozioökonomische Komplexität und somit eine hochwertige medizinische Versorgung der gesamten Bevölkerung zu übernehmen.
Literaturhinweise
Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (2018). Empfehlungen der GDK zur Spitalplanung unter Berücksichtigung der KVG-Revision zur Spitalfinanzierung vom 21.12.2007 und der Rechtsprechung von 1.1.2012 bis 1.1.2018 (rev. Version). Bern: Schweizerische Konferenz der Kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und –direktoren.
Schölkopf, M. & Pressel, H. (2014). Das Gesundheitswesen im internationalen Vergleich: Gesundheitssystemvergleich, Länderberichte und europäische Gesundheitspolitik (3., akt. und erw. Aufl.). Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.