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Weiterbildung

Katrin Kraus


Erstveröffentlicht: December 2020

Weiterbildung ist das Synonym von Erwachsenenbildung und lässt sich als pluraler Bildungsbereich mit unscharfen Grenzen beschreiben. Nehmen Menschen nach der ersten Lebensphase, die typischerweise dem Besuch von Schule, Ausbildung und Studium gewidmet ist, an Bildungsangeboten teil oder organisieren sie selbst, kann man von Weiterbildung sprechen. Als Bildungsbereich ist die Weiterbildung in der Schweiz über das seit 2017 geltende Weiterbildungsgesetz (WeBiG) definiert und wird dort mit der non-formalen Bildung gleichgesetzt, d. h. gemäss Gesetz gehören alle organisierten Bildungsangebote ausserhalb des formalen Bildungssystems dazu. Dies schliesst vom mehrjährigen Lehrgang über einen einmaligen Vortrag bis zur arbeitsmarktlichen Massnahme oder einem Kaderkurs verschiedenste Angebot höchst unterschiedlicher Dauer, Finanzierung und Anschlussfähigkeit an die öffentliche Bildungssystematik und den Arbeitsmarkt ein.

Weiterbildung ist stets eng mit der ökonomischen, politischen, technischen und sozialen Entwicklung einer Gesellschaft verbunden. Ökonomische und technische Neuerungen gehen immer mit veränderten Anforderungen an das Wissen und Können von Erwachsenen einher und bringen damit entsprechende Qualifikationsbemühungen mit sich. Soziale Ungleichheit spiegelt sich in der Regel direkt in der Weiterbildungsbeteiligung. Gleichzeitig spielt der Zugang zu Bildungsmöglichkeiten von Erwachsenen für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft und für politische Bewegungen eine wichtige Rolle. Diese Bezüge zeigen sich für die Schweiz in der aktuellen Situation ebenso wie im historischen Rückblick.

Bereits im 18. Jh. suchte das sich formierende Bürgertum im Zeichen des aufgeklärten Patriotismus die Weiterbildung zu stärken, um Sitten und Wissen der allgemeinen Bevölkerung zu fördern. Mit dem Ende des Ancien Regime verbreiteten sich Volksbildungsvereine und gemeinnützige Gesellschaften mit wirtschafts- und staatspolitischen Reformbestrebungen als Institutionen der Erwachsenenbildung. Auch die im Sog der Industrialisierung entstehende Arbeiterbewegung trug durch ihre politisch motivierte Bildungstätigkeit dem Erstarken der Weiterbildung bei. Zudem begannen Verbände in Handwerk und Handel, für ihre Mitglieder fachliche Weiterbildungsangebote zu organisieren. An der Schwelle zum 20. Jh. zeigte sich – wie später in den 1970er Jahren – die enge Einbindung der Erwachsenenbildung in die damaligen sozialen und politischen Bewegungen: Frauen- und Arbeiterbewegung gründeten ebenso wie christliche Bewegungen eigene Bildungsinstitutionen. Die weltpolitischen Umwälzungen nach dem Ersten Weltkrieg und der Generalstreik von 1918 in der Schweiz führten zu einem deutlichen Ausbau der Weiterbildung, nicht zuletzt weil sich bürgerliche Kreise etwa mit der Gründung von Volkshochschulen die Abkehr der Arbeiterschaft vom Sozialismus erhofften. In der zweiten Hälfte des 20. Jh. gewannen die auf Erwerbstätigkeit ausgerichteten Aktivitäten an Bedeutung und begründeten einen nachhaltigen Ausbau der Weiterbildung, wozu neben der Weiterbildung für Arbeitslose vor allem kostenintensive Kaderweiterbildungen beitrugen und die Aktivitäten des Bundes auf der Grundlage des Berufsbildungsgesetzes, wie z. B. die Weiterbildungsoffensive in den 1990er Jahren.

Bund und Kantone zeigten lange – von wenigen Ausnahmen bei den Kantonen abgesehen – für die Weiterbildung ein eher zurückhaltendes Engagement. Rechtlich gesehen war die Weiterbildung lange nicht in einem eigenen Gesetz geregelt, sondern Teil verschiedenster Spezialgesetze. Ein u. a. von den Anbietern bereits seit langem gefordertes Weiterbildungsgesetz des Bundes wurde mit einem Artikel in der neuen Verfassung 2006 auf den Weg gebracht und ist am 1. Januar 2017 in Kraft getreten. Es legt allgemeine Grundsätze fest und regelt überdies die Förderung des Erwerbs und des Erhalts von Grundkompetenzen Erwachsener sowie die Subventionierung von bundesweit tätigen Weiterbildungsorganisation.

Als Rahmengesetz überlasst die neue Gesetzgebung weitergehende Regelungen auch künftig Spezialgesetzen. Mit den Grundsätzen stärkt sie ein marktorientiertes Wettbewerbs­prinzip zwischen Anbietern. Weiterbildung gilt vor allem als individuelle berufliche Investition oder persönliche Freizeitgestaltung, was sich beispielsweise beim Grundsatz der Verantwortung für die Weiterbildung zeigt. Das Weiterbildungsgesetz nennt zunächst die Eigenverantwortung der Erwachsenen, weist dann auf die Verantwortung der Arbeitgeber hin und erst an dritter Stelle verweist es auf den Staat.

Im Unterschied zu anderen Ländern hat sich Erwachsenenbildung/Weiterbildung in der Schweiz bisher nur zögernd als erziehungswissenschaftliche Teildisziplin etablieren können, was dazu führt, dass es kaum spezifische und kontinuierliche Forschung dazu gibt und eine akademische Professionalisierung nur ansatzweise stattgefunden hat. Parallel zum Ausbau der Angebote im 20. Jh. wurden hingegen verbandliche Strukturen der Weiterbildung aufgebaut. Zentral war 1951 die Gründung des Schweizerischen Verbands für Weiterbildung (SVEB) als Zusammenschluss von Weiterbildungsanbietern. Der Verband setzte (und setzt) sich stark für den Aufbau von Strukturen und eine Professionalisierung von Weiterbildung ein.

Obwohl im internationalen Vergleich die Schweiz insgesamt eine hohe Teilnahmequote an Weiterbildung hat, zeigt die Teilnahme deutliche Unterschiede nach Herkunft, Bildungsstand, sozialer Schichtung und Geschlecht. Die Idee einer nachholenden Bildung, die Menschen offen steht, die in Kindheit und jungem Erwachsenenalter die entsprechenden Bildungsabschlüsse nicht erworben haben, erweist sich seit den Anfängen organisierter Weiterbildung weitgehend als Illusion. Vielmehr verstärkt Weiterbildung soziale Ungleichheiten eher, da zentrale Indikatoren für die Weiterbildungsteilnahme das formale Bildungsniveau und die Position im Erwerbsleben sind. Die Teilnahme an Weiterbildung ist überwiegend beruflich motiviert. In der Schweiz sind vor allem Personen ohne nach­obligatorische Bildung bei der Teilnahme an Weiterbildung stark benachteiligt. Zudem ist die Weiterbildungsbeteiligung von Personen ohne Schweizer Staatsbürgerschaft, die die Schule in der Schweiz besucht haben, deutlich niedriger als die Weiterbildungsbeteiligung von Schweizerinnen und Schweizer und auch niedriger als die Teilnahmequote von Personen ohne Schweizer Staatsbürgerschaft, die ihre Schulzeit nicht in der Schweiz verbracht haben. Da Weiterbildung häufig von Arbeitgebern (mit)finanziert wird, zeigen sich hier auch die für den Arbeitsmarkt typischen Differenzen. So beteiligen sich Arbeitgebern bei Männern zu einem wesentlich höheren Anteil an Kosten für Weiterbildung als bei Frauen, die diese Kosten häufig selbst tragen.

Im Gesamtbild wird heute in der Schweiz Weiterbildung weniger als Bildungsbereich in öffentlicher Verantwortung, sondern vor allem als Markt gesehen, obwohl es neben beruflich-betrieblichen Weiterbildungen immer auch Angebote staatsbürgerlicher und politischer Bildung sowie staatlich finanzierte Angebote gab. Insofern sind in der Weiterbildung sozialpolitische Bezüge indirekt relevant. Sie ergeben sich aktuell vor allem in der Frage der Förderung von Grundkompetenzen im Zusammenhang mit Armutsbekämpfung sowie in einem Einsatz für einen weniger selektiven Zugang zur Weiterbildung.

Literaturhinweise

Dominicé, P. & Finger, M. (1990). L’éducation des adultes en Suisse. Zurich: Pro Helvetia.

Kraus, K. (2015). Ein Beitrag zur Geschichte der Erwachsenenbildung in der Schweiz. In K. Kraus & M. Weil (Hrsg.), Berufliche Bildung: historisch – aktuell – international (S. 76–83). Paderborn: Eusl-Verlagsgesellschaft.

Schläfli, A. & Sgier, I. (2015). Weiterbildung in der Schweiz: Länderportrait (3., vollst. überarb. Aufl.). Bielefeld: Bertelsmann.

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