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Wohnraumförderung

Marie Glaser


Erstveröffentlicht: December 2020

Die Schweiz gehört zu den Ländern mit einer sehr guten Versorgung mit Wohnraum. Dies unternimmt in erster Linie die Privatwirtschaft. Die öffentliche Hand unterstützt markt­ergänzend mit verschiedenen Massnahmen die angemessene Wohnungsversorgung aller Bevölkerungsgruppen. Wohnraumförderung geschieht in der Schweiz auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene nach dem Subsidiaritätsprinzip. Erstmals trat 1965 auf der Grundlage des Familienschutzartikels auf Bundesebene ein Wohnbauförderungsgesetz in Kraft. Die historisch entstandene Arbeitsteilung zwischen Bund und Kantonen ist in der Bundesverfassung Artikel 41e in den Sozialzielen verankert: Bund und Kantone setzen sich in Ergänzung zu persönlicher Verantwortung und privater Initiative dafür ein, dass Wohnungssuchende für sich und ihre Familie eine angemessene Wohnung zu tragbaren Bedingungen finden können. Ausfluss dieser Bestimmungen war das frühere Wohneigentumsförderungsgesetz (WEG) des Bundes von 1974, welches 2003 vom Bundesgesetz über die Förderung von preisgünstigem Wohnraum (Wohnraumförderungsgesetz, WFG) abgelöst wurde.

Die öffentliche Hand verfügt grundsätzlich über zwei Förderansätze für preisgünstigen Wohnraum: die Objekt- und die Subjekthilfe. Ziel der Objekthilfe ist es gemeinnützige Bauträger darin zu unterstützen mehr preisgünstigen Wohnraum anzubieten. Die Objekthilfe ist an eine Liegenschaft gekoppelt, die von einem gemeinnützigen Bauträger neu erstellt, erneuert oder erworben wird. Gängige Förderinstrumente sind zum Beispiel die Abgabe von Land im Baurecht, Bürgschaften, zinsgünstige Darlehen, sowie Baukosten-, Zins- oder Abschreibungsbeiträge. Auch Beteiligungen am Eigenkapital von gemeinnützigen Bauträgern lassen sich im weitesten Sinne dazu zählen. Seit 2007 verzichtet der Bundesrat allerdings auf direkte Bundesdarlehen. Indirekt geschieht dies heute lediglich noch zum einen über die Verbürgung von Anleihensobligationen der Emissionszentrale für gemeinnützige Wohnbauträger EGW. Wohnbaugenossenschaften gelangen auf diesem Weg zu einer günstigeren langfristigen Teilfinanzierung, meist als Zweithypothek. Das hilft insbesondere auch Zinsveränderungsrisiken bei Neubauten zu senken. Zum anderen äufnet der Bund einen Fonds de roulement, aus dem zinsgünstige, rückzahlbare Darlehen bis zu einer Belehnungsgrenze von 90% an gemeinnützige Wohnbauträger vergeben werden. Viele Projekte kleinerer und jüngerer Bauträger werden darin unterstützt, mit weniger Eigenkapital zu bauen, und könnten ohne diese Darlehen nicht realisiert werden.

Bei der Subjekthilfe wird ein staatlicher Mietzinszuschuss direkt an Haushalte mit geringem Einkommen ausgerichtet, sodass sich diese auf dem Markt eine angemessene Wohnung zu tragbaren Mietzinsen leisten können. Eine weitere Form von Subjekthilfe sind die Beiträge an die Wohnkosten, welche im Rahmen der Ergänzungsleistungen von Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) und Invalidenversicherung (IV) ausbezahlt oder von der Sozialhilfe übernommen werden.

Die beiden Förderansätze lassen sich auch kombinieren, indem man Mietzinszuschüsse nur auf mit Objekthilfe geförderte Liegenschaften gewährt. Bei diesem System spricht man auch von objektgebundener Subjekthilfe. Werden bei der Vergabe von objektgeförderten Wohnungen Einkommenslimiten und Belegungsvorschriften angewendet, entspricht dies ebenfalls einer objektgebundenen Subjekthilfe.

Auf Kantonsebene bestehen bislang keine einheitlichen gesetzlichen Grundlagen und nur einzelne Kantone sind mittels Starthilfebeiträge und Hilfe beim Landerwerb aktiv in der Wohnraumförderung. Die Kantone sind zuständig für die gesetzlichen Rahmenbedingungen und allfällige Förderungen des preisgünstigen Wohnungsbaus mit raumplanerischen Instrumenten. Ihr Auftrag ist es, sich im Rahmen der Richtpläne zur Sicherstellung eines Wohnraumangebots für alle Bedürfnisse, insbesondere zur Förderung von preisgünstigem, familienfreundlichem und altersgerechtem Wohnraum zu äussern. Der Kanton Zürich gewährt beispielsweise aufgrund des Gesetzes über die Wohnbau- und Wohneigentumsförderung vom 7. Juni 2004 zinslose bzw. zinsgünstige Darlehen an gemeinnützige Wohnbauträger, sofern die Gemeinde eine gleichwertige Leistung erbringt. Diese Leistungen sind an verschiedene Auflagen gebunden u. a. Einkommenslimiten für Mietende und eine Limite für die Erstellungskosten. Beispiele für Formen von Subjekthilfe sind die Familienmietzinsbeiträge im Kanton Basel-Stadt oder die allocation logement im Kanton Genf.

Auf Gemeindeebene bestehen mehr konkrete Förderungsinstrumente als bei den Kantonen, effektiv angewendet werden diese jedoch nur in wenigen Gemeinden der Schweiz. Vorausschauende Exekutiven von Gemeinden analysieren die Wohnbausituation und betreiben eine aktive Bodenpolitik durch den Verkauf von Land oder die zeitlich gebundene Abgabe von Land im Baurecht an gemeinnützige Wohnbauträger. Eine aktive Wohnungspolitik kennt die Mittel der Gewährung von Finanzhilfen, Starthilfe- oder Projektentwicklungsbeiträge, fachliche Unterstützung, sowie den eigenen kommunalen Wohnungsbau. Mietzinsbeiträge als Form der Subjekthilfe werden u. a. bei Gemeinden in den Kantonen Basel-Land und Waadt ausbezahlt.

Unter pragmatischer Abwägung der Vor- und Nachteile sowie der zu veranschlagenden Kosten (u. a. Einsparungen von AHV/IV-Zusatzleistungen und Sozialhilfeleistungen von 22 Mio. Franken jährlich gemäss Studie des Statistischen Amtes des Kantons Zürich von 2001) haben der Bund sowie die meisten Kantone und Gemeinden ihre Wohnungspolitik bislang vorwiegend an der Objekthilfe orientiert. Für sie sprechen insbesondere die langfristige Erhaltung des preisgünstigen Wohnungsangebots, die Möglichkeit der qualitativen (über Wettbewerbe) und quantitativen Einflussnahme auf den Wohnungsbau sowie die ab einem gewissen Umfang zu erwartende Preisdämpfung in einem unausgeglichenen Wohnungsmarkt.

Die bevorzugte Behandlung der gemeinnützigen Bauträger hierbei hat gute Gründe. Sie stiften und erhalten bezahlbaren Wohnraum für die Allgemeinheit. Dieser bleibt dauerhaft der Spekulation entzogen und ist dank Anwendung der Kostenmiete und Verzicht auf Gewinnstreben längerfristig wesentlich günstiger als das marktübliche Mietangebot. Gerade in einer Situation, in der städtisches Wohnen weiterhin an Attraktivität gewinnt, als Resultat bewusster Stadtentwicklungsstrategien und des Marktes, erweitert sich der Graben, der die Haushaltstypen mit unterschiedlicher Kaufkraft trennt. In der Diskussion um Gentrifizierung ist die Unterscheidung zwischen den Akteuren entscheidend: die gemeinnützigen Bauträger, die Wohnbauförderung in Anspruch nehmen und deren Wohnungsbestand oftmals innerstädtisch liegt, stellen bei der Erstellung von Ersatzneubauten ihren Altwohnungsbewohnerinnen und -bewohnern, die oft zugleich qua Anteilscheinen Mitbesitzende sind, bezahlbaren Ersatz zur Verfügung.

Die Subjekthilfe dämpft ausreissende Preis­entwicklungen auf dem Markt nicht. Werden in einem angespannten Wohnungsmarkt flächendeckend Wohnzuschüsse ausbezahlt, besteht vielmehr die Gefahr eines generellen Preisanstiegs. In diesem Fall federt die Ausrichtung von Subjekthilfen zumindest teilweise die überteuerten Mieten ab. Als unerwünschte Begleiterscheinung findet in diesem Fall eine Verbesserung der Renditen und die Umverteilung von Steuergeldern an die Wohnungsanbieter statt.

Eine Förderung mittels Objekthilfe kann auf die allgemeine Erhöhung des Angebots an preisgünstigem Wohnraum ausgerichtet sein, wie es das Beispiel der gegenwärtigen Bundeshilfe zeigt. Die Objekthilfe kann jedoch auch so angelegt sein, dass sie die gezielte Verbilligung von Wohnungen ermöglicht. Beispiele hierfür sind die Wohnbauförderung des Kantons Zürich oder des Kantons Zug. Subventionierte Wohnungen sind hier Haushalten vorbehalten, welche sie am dringendsten benötigen. Dies wird mittels Einkommens- und Vermögens­limiten sowie Belegungsvorschriften sichergestellt, die regelmässig kontrolliert werden, um Missbrauch vorzubeugen.

Literaturhinweise

Gysi, S. (2015). Wohnen in der Schweiz. In A. M. Riedi, M. Zwilling, M. Meier Kressig, P. Benz Bartoletta & D. Aebi Zindel (Hrsg.), Handbuch Sozialwesen Schweiz (2., überarb. und erg. Aufl., S. 119–130). Bern: Haupt.

Sfar, D. (2014). Eine zukunftsgerichtete Wohnraumpolitik für eine Zehn-Millionen-Schweiz. Sozialalmanach, 152–167.

Wohnbaugenossenschaften Schweiz (Hrsg.) (2015). Bezahlbarer Wohnraum – welche Förderung ist sinnvoll? Die Vor- und Nachteile der Objekt- und der Subjekthilfe. Zürich: WBG.

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