Wohnung für ältere Menschen
In der nachberuflichen Lebensphase wird die Wohnung für die meisten Menschen zum eigentlichen Lebensmittelpunkt. Entsprechend erhöhen eine gut eingerichtete Wohnung und eine anregende Wohnumgebung Wohlbefinden, Sicherheit und Aktivitätsradius älterer und alter Menschen. Lebenszyklische Veränderungen (Auszug der Kinder, Tod eines Lebenspartners, einer Lebenspartnerin) führen zu einer Verringerung der Haushaltsgrösse und Alleinleben ist häufig, speziell bei Frauen. Aufgrund körperlicher Beschwerden und funktionaler Einschränkungen sind alte Menschen vermehrt auf eine hindernisfreie Wohnung und sozial unterstützende Wohnumgebung angewiesen. Eine Passung zwischen den individuellen Bedürfnissen und den räumlichen, technischen und sozialen Wohnfaktoren ist im Alter ein entscheidender Faktor für eine hohe Lebens- und Wohnzufriedenheit. Umgekehrt führt eine fehlende Person-Umwelt-Übereinstimmung im Alter zu alltäglichen Einschränkungen und Belastungen. Beim Auftreten funktionaler, sensorischer und kognitiver Einschränkungen können objektiv gesehen kleine Wohnärgernisse (enge Türen, hohe Schwellen, steiler Zugang zur Wohnung) zu unüberwindbaren Hindernissen werden.
Im Allgemeinen profitieren in der Schweiz auch ältere Menschen über eine hohe Wohnqualität, etwa im Vergleich zu gleichaltrigen Menschen in ost- und südeuropäischen Ländern. Allerdings fehlt es in vielen Regionen der Schweiz zunehmend an kostengünstigen Alterswohnungen. Dies trägt dazu bei, dass zu viele Menschen zu lange in nicht altersgerechten Wohnungen verbleiben oder teilweise trotz geringer Pflegebedürftigkeit in ein Alters- und Pflegeheim wechseln.
Beim Thema des Wohnens im Alter sind drei zentrale Grundsätze zu berücksichtigen: Erstens unterliegen Alternsprozesse einer interindividuellen Heterogenität und insofern Alternsprozesse nicht standardisiert verlaufen, sind Begriffe wie «altersgerechte Wohnung» mit Zurückhaltung zu benützen. Eine altersgerechte Wohnung kann je nach Verlauf des Alterns unterschiedliche Faktoren einschliessen. Zweitens variieren Wohnbedürfnisse auch im Alter nach sozialer Schichtzugehörigkeit, Bildungshintergrund und Einkommenslage. Je nach Höhe der Altersrente und des Vermögens stehen älteren Menschen je andere Wohnmöglichkeiten offen. Wer wohlhabend ist, kann sich eine luxuriöse Seniorenresidenz oder eine teure Eigentumswohnung leisten (und zunehmend mehr ältere Menschen verfügen auch in der Schweiz über Wohneigentum). Wer wirtschaftlich schlechter gestellt ist, ist auf eine günstige Mietwohnung oder eine subventionierte Alterswohnung angewiesen. Drittens sind Wohnwünsche lebensgeschichtlich geprägt. Je nach Lebensgeschichte werden andere Wohnformen bevorzugt. Eine langjährig bewohnte Wohnung ist für ältere Menschen oft ein Ort, wo sich biografische Erinnerungen ansammeln. Im höheren Lebensalter werden Wohnung und Wohnort – als Orte des vollzogenen Lebens mit seinen Höhen und Tiefen – deshalb häufig zu zentralen Verortungspunkten des eigenen Lebens.
Bezogen auf das Alter (häufig implizit gleich gesetzt mit reduzierter funktionaler Gesundheit) zeigen sich gegenwärtig zwei grundlegende Wohnbedürfnisse: Zum einen möchten alte Menschen ihr Leben soweit als möglich autonom führen und ihre Wohn- und Lebenssituation weiterhin selbstständig gestalten. Zum selbstständigen Wohnen gehört nicht nur eine individuelle Gestaltung der Wohnräume, sondern auch die Möglichkeit, selbstständig zu entscheiden, wer zum Privatraum «Wohnung» und namentlich zu den Intimräumen (Schlafzimmer, Badezimmer) Zugang hat. Zum anderen besteht bei erwarteten oder auftretenden körperlichen, sensorischen und kognitiven Einschränkungen ein hohes Sicherheitsbedürfnis. Sicherheit bezieht sich nicht allein auf materielle Versorgung und körperlich-pflegerische Betreuung, sondern auch darauf, sozial und sozialmedizinisch eingebunden zu bleiben. Sicherheit in diesem Sinne definiert sich als Möglichkeit bei Bedarf, Zugriff auf soziale Ansprechpartner, medizinische Versorgung und pflegerische Unterstützung zu erhalten.
Beide Grundbedürfnisse sind aufgrund der Alternsprozesse Veränderungen unterworfen. So ist die Realisierung von Autonomiebedürfnissen im hohen Lebensalter zunehmend von einer angepassten, am besten hindernisfreien Wohnung und Wohnumwelt abhängig. Die Realisierung von Sicherheitsbedürfnissen ist bei steigender Hilfe- und Pflegebedürftigkeit davon abhängig, dass eine integrierte kommunale Versorgungsstruktur vorliegt.
Bei funktional gesunden älteren Menschen unterscheidet sich das private Wohnen nicht grundsätzlich vom privaten Wohnen in früheren Lebensphasen und auch im Alter bleibt die normale, private Wohnung die häufigste Wohnform. Mit zunehmenden altersbezogenen Einschränkungen etwa der Mobilität werden allerdings auch beim privaten Wohnen zwei unterstützende Faktoren bedeutsamer: Erstens kann eine hindernisfreie Wohnung (durch ein barrierefreies Badezimmer, die Vermeidung von Zugangstreppen usw.) sowie die Möglichkeit über ein Hausrufsystem oder einen Alarmknopf im Bedarfsfall schnell Hilfe anzufordern, privates Wohnen bei körperlichen Einschränkungen erleichtern. Zweitens ist eine gute soziale Einbindung für das Wohlbefinden im Alter zentral. Gute soziale Kontakte (familial, freundschaftlich, nachbarschaftlich, professionell) sind in allen Lebensphasen gesundheitsfördernd, aber bei abnehmender Mobilität werden gute nachbarschaftliche Kontakte und Hilfebeziehungen, die Nähe zu Einkaufsmöglichkeiten oder medizinischen Dienstleistungen besonders bedeutsam.
Die sozialen und pflegerischen Begrenzungen des privaten Wohnens – oft in nicht altersgerecht gebauten Altwohnungen – haben zur Entwicklung alternativer Wohnformen für das Alter beigetragen. Bezüglich sozialer Einbindung werden vermehrt Altershausgemeinschaften oder Mehrgenerationenhäuser propagiert und gegründet. Als Vorteile einer Altershausgemeinschaft oder einer generationenübergreifenden Wohnform sind gegenseitige Hilfeleistungen, gemeinsame Aktivitäten sowie ein geringeres Risiko von Alleinsein anzuführen. Sozialromantisch geprägte Vorstellungen zum gemeinschaftlichen Alter erweisen sich allerdings als problematisch, da gemeinschaftliche Wohnformen im Alter eine gemeinsame soziale Lebenshaltung ihrer Mitglieder voraussetzen und bei zu starker Pflegebelastung an Grenzen stossen. Die meisten gemeinschaftlichen Wohnformen richten sich entsprechend an gesunde ältere Menschen.
Wenn spezialisierte Wohnformen für hilfe- und pflegebedürftige alte Menschen angesprochen werden, handelt es sich in der überwiegenden Mehrheit um Formen eines betreuten Wohnens (auch begleitetes Wohnen oder Service-Wohnen genannt). Betreutes Wohnen besteht aus der Kombination einer altersgerechten Privatwohnung oder Wohneinheit mit Küche und Bad mit spezifischen Service-, Hilfe- und Betreuungsleistungen. Das zentrale Ziel ist eine selbstständige Wohn- und Lebensweise auch bei gesundheitlichen Einschränkungen alter Frauen und Männer. Wie bei den übrigen Wohnformen im Alter ergibt sich auch bei betreuten Wohnformen bzw. bei Wohnformen mit Service eine starke Segmentierung des Angebots nach Einkommensklassen (luxuriöses Service-Wohnen für wohlhabende alte Menschen, eingeschränkte Angebote mit geringerem Wohn- und Service-Standards für einkommensschwächere ältere Menschen).
Eine Besonderheit der Schweiz besteht darin, dass der Anteil über 80-jähriger Menschen, die stationär – in einem Alters- und Pflegeheim – leben, deutlich höher liegt als in den Nachbarländern. Dies hat mit einer langen sozialpolitischen Tradition einer kommunalen Altersversorgung (zuerst durch Bürgerheime, danach Altersheime, heute Pflegezentren) zu tun. Erst in den letzten Jahrzehnten kam es vermehrt zum Aufbau ambulanter Pflegestrukturen (Spitex). Entsprechend reduziert sich der Anteil alter Menschen, die stationär gepflegt werden. Allerdings führt die staatliche Pflegefinanzierung (stark auf medizinische Pflegeleistungen konzentriert und nicht auf soziomedizinische Betreuung) dazu, dass in manchen Kantonen weiterhin viele alte Menschen mit geringem Pflegebedarf in Alters- und Pflegeheimen wohnen.
Literaturhinweise
Füglister-Dousse, S., Dutoit, L. & Pellegrini, S. (2015). Soins de longue durée aux personnes âgées en Suisse. Evolutions 2006–2013. Neuchâtel: Observatoire Suisse de la Santé.
Höpflinger, F., Hugentobler, V. & Spini, D. (Hrsg.). Wohnen in den späten Lebensjahren Grundlagen und regionale Unterschiede (Age Report IV). Zürich: Seismo.
Jann, A. (2015). Age-Wohnmatrix: Bedürfnisse statt Begriffe ins Zentrum stellen. Zeitschrift für Gerontologie & Geriatrie, 48, 164–168.