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Hausarbeit

Natalie Benelli


Erstveröffentlicht: December 2020

Zur Erhebung der in Haushalt und Familie geleisteten Arbeitsstunden definieren Zeitbudget-Analysen Hausarbeit als Gesamtheit der unentgeltlich ausgeführten und für den Unterhalt des Haushalts und seiner Mitglieder notwendigen Tätigkeiten wie Kochen, Waschen, Bügeln, Einkaufen, Putzen und das Betreuen von Kindern und Angehörigen. Der Grossteil dieser Arbeiten wird von Frauen geleistet. Vertreterinnen des materialistischen Feminismus kritisieren die empirische Definition von Hausarbeit. Christine Delphy zeigt in ihrem 1978 erschienenen Text Travail ménager ou travail domestique? auf, dass im Rahmen von Hausarbeit geleistete Tätigkeiten nicht ausschliesslich in der Privatsphäre zu finden sind, sondern auch in beruflichen Kontexten, wo sie gegen Entlohnung ausgeführt werden. Für Delphy liegt die spezifische Besonderheit von Hausarbeit darin, dass sie unentgeltlich und grossmehrheitlich von Frauen im Dienste Dritter – in erster Linie Männern – geleistet wird. Hausarbeit ist somit das Produkt des besonderen Verhältnisses der Arbeiterin – der Ehefrau oder Partnerin – zu ihrem Ehemann oder Partner: die im Haushalt von den Frauen geleistete und von den Männern angeeignete unentgeltliche Arbeit.

Der historische Ursprung von Hausarbeit liegt in der Trennung zwischen der als unproduktiv definierten Privatsphäre und der aus­ser­häuslichen Produktionssphäre. Diese Trennung hat sich mit der industriellen Revolution herausgebildet. Sie konstruierte einen Gegensatz zwischen der den Frauen zugewiesenen Hausarbeit und der den Männern zugewiesenen Lohnarbeit. So bildeten sich gleichzeitig die Figuren der Hausfrau und des männlichen Familienernährers heraus.

Die «Untätigkeit» der (bürgerlichen) Frauen – da sie ja nicht an der «produktiven» Arbeit beteiligt sind – erlaubt es diesen, sich vollumfänglich ihren häuslichen Pflichten zu widmen, allen voran der nunmehr für Mütter als zentral angesehenen Aufgabe der Kindererziehung. Das Ideal der «untätigen» Hausfrau entspricht heute nicht mehr der Realität des Grossteils der Frauen, einschliesslich der Mütter. Allerdings bleiben unbefristete Vollzeitstellen – sie bilden die Grundlage der Sozial­versicherungen – nach wie vor den Männern vorbehalten. Die unbefristete Vollzeitbeschäftigung ist ein Produkt der fordistisch geprägten industriellen Produktionsweise, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 1970er Jahre in Europa verbreitete. Neue Formen wissenschaftlicher Arbeitsorganisation und eine von den Bedürfnissen des Wiederaufbaus genährte Nachfrage führten zu starken Produktivitätssteigerungen. Diese ermöglichten eine gewisse Umverteilung der Gewinne an die Lohnarbeitenden in Form von Lohnerhöhungen und der Institutionalisierung der Sozialversicherungen.

Jeder Mensch braucht Hausarbeit, um zu (über-)leben. Erwachsene leisten Hausarbeit entweder selber, wie im Fall von Frauen und Männern, die alleine leben. Oder jemand anders leistet die Hausarbeit teilweise oder vollumfänglich für sie. In der Schweiz werden in heterosexuellen Paarhaushalten mit Kindern knapp 80 % der Hausarbeit von den Frauen geleistet. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in Paarhaushalten wird durch die Eheschliessung noch verstärkt. So leisten verheiratete Frauen mehr Hausarbeit als nicht verheiratete Frauen, die mit ihrem Partner zusammenleben. Der massive Eintritt der Frauen in den Arbeitsmarkt seit den 1970er Jahren führte nicht zu einer gleichberechtigten Aufteilung von Haus- und Lohnarbeit zwischen den Geschlechtern. Frauen leisten bei gleicher Erwerbstätigkeit mehr Hausarbeit als ihr Partner. In acht von zehn Paarhaushalten mit Kindern unter 15 Jahren tragen die Frauen die Hauptverantwortung für die Hausarbeit. 2015 waren 80,6 % der Mütter teilzeiterwerbstätig (bei den Vätern waren es 11,4 %), was die Abhängigkeit vom Ehepartner und dessen Lohn verstärkt und die Delegation der Hausarbeit an die Frauen legitimiert. Der unsichere Zugang der Frauen zu Erwerbsarbeit schwächt deren soziale Absicherung insbesondere im Rahmen der AHV und der beruflichen Vorsorge und erhöht das Armutsrisiko beträchtlich.

Seit 1981 ist das Prinzip der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverfassung verankert. Diese schreibt in Artikel 8, Absatz 3 deren «rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit» vor. Um «die Gleichstellung der Geschlechter in allen Lebensbereichen […]» (Art. 16, Bundesgesetzes zur Gleichstellung von Frau und Mann vom 24. März 1995) zu fördern, hat der Bundesrat 1988 das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann gegründet. Am 14. Juni 1991 prangerten Tausende von Frauen anlässlich des vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund ausgerufenen Frauenstreiks die anhaltende Ungleichheit zwischen Frauen und Männern im Privat- und Berufsleben an. Trotzdem leisten Männer nach wie vor nur einen marginalen Anteil an Hausarbeit, und die Forderung nach einer gleichberechtigten Aufteilung der Hausarbeit ist aus den öffentlichen Debatten verschwunden. Die geschlechtsspezifische Ar­beits­teilung gilt nunmehr als Ergebnis der «Ent­schei­dungs­freiheit» der beiden Partner. In Mittel- und Oberschichtspaaren hat diese «Ent­schei­dungsfreiheit» häufig eine Auslagerung eines Teils der Haus- und Familienarbeit an bezahlte Angestellte zur Folge. Diese private «Lösung» des Problems der Nichtaufteilung von Hausarbeit bleibt den wohlhabenden Bevölkerungsschichten vorbehalten. Sie steht im Zeichen der Rückkehr der Bediensteten, d. h. der Wiedereinführung der Klassen- und Rassenverhältnisse in der Privatsphäre. In der Tat werden die häufig prekären und schlecht bezahlten Arbeitsstellen in privaten Haushalten weitgehend von Migrantinnen besetzt.

Seit den 2000er Jahren suchen FeministInnen sowie Politik und Wirtschaft, den gleichberechtigten Zugang der Frauen zum Erwerbsleben zu fördern. Auf Bundesebene werden sozialpolitische Massnahmen ergriffen, um die Teilnahme der Frauen am Arbeitsmarkt zu verstärken: eine Mutterschaftsentschädigung für erwerbstätige Mütter während der ersten 14 Wochen nach der Geburt des Kindes; höhere Subventionen zur Entwicklung der familienexternen Kinderbetreuung; Einführung eines Steuerabzugs für die Drittbetreuung von Kindern (direkte Bundessteuer, Bundesgesetz über die steuerliche Entlastung von Familien mit Kindern vom 25. September 2009). Für die 2011 vom Bundesrat lancierte Fachkräfteinitiative ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie einer der Hauptpfeiler für eine bessere Ausschöpfung des inländischen Fachkräftepersonals. Unter dem Strich bleiben die von Politik und Wirtschaft zugunsten der Frauenerwerbsarbeit getroffenen Massnahmen jedoch marginal und häufig auf qualifizierte Frauen beschränkt. Das Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen ist nach wie vor ungenügend, vor allem für Familien mit tiefen Einkommen. Auch ist die Schweiz bis heute eines der wenigen Länder Europas, die auf Bundesebene keinen Vaterschafts- oder Elternurlaub kennen.

Auch wenn die Politik der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewissen Frauen eine Berufskarriere ermöglicht, löst sie das Problem der Nichtaufteilung der Hausarbeit nicht. Die Last der Hausarbeit kann für Frauen sogar zunehmen, namentlich dann, wenn sie verantwortlich für die Organisation der ausserhäuslichen Kinderbetreuung sind.

Literaturhinweise

Devetter, F.-X. & Rousseau, S. (2011). Du balai: essai sur le ménage à domicile et le retour à la domesticité. Ivry-sur-Seine: Raisons d’agir éd.

Kersten, S. (2016). Individuelle und kantonale Bestimmungsgründe des Zeitaufwands für Hausarbeit von erwerbstätigen Frauen und Männern in der Schweiz. Schweizerische Zeitschrift für Soziologie, 42(1), 85–107.

Lanfranconi, L. M., Valarino, I. (2014). Gender equality and parental leave policies in Switzerland: a discursive and feminist perspective. Critical Social Policy, 34(4), 1–23.

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