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Sozialhilfe für Schweizerinnen und Schweizer im Ausland

Nadine Zimmermann


Erstveröffentlicht: December 2020

Geraten Schweizer Staatsangehörige im Ausland in eine finanzielle Notlage, können sie bei der Schweizer Vertretung um Unterstützung ersuchen. AuslandschweizerInnen erhalten vom Bund Sozialhilfe. Bei einer Notlage während eines vorübergehenden Auslandaufenthalts kann ein Notfalldarlehen gewährt werden.

Die Regelungen zur Hilfestellung für Schweizerinnen und Schweizern im Ausland sind in den vergangenen 50 Jahren mehrmals angepasst und präzisiert worden. Bis zur Inkraftsetzung des Bundesgesetzes über Fürsorgeleistungen an Auslandschweizer vom 21.03.1973 (ASFG) war die Unterstützung von SchweizerInnen mit Wohnsitz im Ausland grundsätzlich Sache der Heimatkantone. Das führte immer wieder zu ungleichen Behandlungen von Betroffenen mit unterschiedlichem Bürgerrecht bei ansonsten vergleichbaren Verhältnissen. Mit dem ASFG wurde dem Bund die Unterstützungs- und Finanzierungszuständigkeit für Schweizer Staatsangehörige mit Wohnsitz oder länger als drei Monate andauerndem Aufenthalt im Ausland übertragen. AuslandschweizerInnen, die in die Schweiz zurückkehrten, wurden ab Einreise in die Schweiz von den Kantonen unterstützt. Die Zuständigkeit richtete sich nach dem Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger vom 24.06.1977 (ZUG). Die Hilfe für Schweizer Staatsangehörige, die bei einem vorübergehenden Auslandaufenthalt in eine Notlage gerieten, wurde jeweils gestützt auf die Bundesverfassung vom Bundesrat in zeitlich befristeten Verordnungen geregelt. Das änderte mit der Teilrevision des ASFG per 01.01.2010. Das ASFG erhielt einen neuen Namen, nämlich Bundesgesetz über Sozialhilfe und Darlehen an Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer (BSDA), und wurde um ein Kapitel betreffend Darlehen an vorübergehend im Ausland weilende Schweizer Staatsangehörige in Not ergänzt. Das BDSA blieb bis zum 31.10.2015 in Kraft und wurde in der Folge vom Auslandschweizergesetz vom 26.09.2014 (ASG) abgelöst. Das Gesetz fasste unterschiedliche Rechtserlasse zusammen, ermöglichte qualitativ bessere Beziehungen des Bundes zur Auslandschweizergemeinschaft und wies die Aufgaben erstmals zentral einem Departement, dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA, zu.

Das seither geltende ASG regelt sämtliche Auslandschweizerbelange. Als AuslandschweizerIn gemäss ASG gelten SchweizerInnen, die keinen Wohnsitz in der Schweiz haben und im Auslandschweizerregister eingetragen sind. Grundsätzlich kann nur Sozialhilfe nach ASG beziehen, wer immatrikuliert ist. Die Finanzierung erfolgt durch den Bund. Bei mehr­facher Staatsangehörigkeit wird in der Regel keine Sozialhilfe gewährt, wenn das ausländische Bürgerrecht vorherrscht. Es wird dabei berücksichtigt, welche Umstände zum Erwerb des ausländischen Bürgerrechts geführt haben, wo die betroffene Person ihre Kindheit verbracht hat, wie lange sie bereits im aktuellen Wohnstaat lebt und welche Beziehungen sie zur Schweiz unterhält. Bei Minderjährigen oder schwerstbehinderten und handlungsunfähigen Erwachsenen können Unterstützungsleistungen trotz vorherrschender ausländischer Staatsangehörigkeit bewilligt werden, wenn bei einem Elternteil das Schweizer Bürgerrecht überwiegt. Im Zweifelsfall zugunsten der Betroffenen wird bei kriegerischen Ereignissen oder Naturkatastrophen entschieden. Die Ausrichtung von Sozialhilfe nach ASG setzt voraus, dass die betroffene Person ihren Lebensunterhalt nicht hinreichend aus eigenen Mitteln, mit privater Unterstützung oder durch Hilfeleistungen des Aufenthaltsstaates bestreiten kann. Es gilt das Subsidiaritätsprinzip. Art und Umfang der Sozialhilfe richten sich nach den Verhältnissen im Wohnstaat. Die Sozialhilfe nach ASG soll eine menschenwürdige Existenz und die Teilhabe am Sozialleben im Wohnstaat ermöglichen und hat die Wahrung bzw. Wiedererlangung der wirtschaftlichen Selbstständigkeit zum Ziel. Sie kann aber weder unternehmerische Risiken abdecken, noch wirtschaftliche Aufbauarbeit leisten. Das ASG unterscheidet zwischen einmaligen und wiederkehrenden Leistungen. Wiederkehrende Leistungen werden für ein Jahr gesprochen und können verlängert werden. Der Lebensunterhalt wird unter Berücksichtigung der Haushaltsgrösse pauschaliert. Ein Anspruch auf wiederkehrende Leistungen besteht nur, wenn der Verbleib im Wohnstaat aufgrund der gesamten Umstände gerechtfertigt ist. Das ist der Fall, wenn die betroffene Person schon jahrelang dort lebt, wenn absehbar ist, dass sie bald wieder wirtschaftlich selbstständig sein wird oder wenn ihr wegen enger familiärer Bande die Rückkehr in die Schweiz nicht zugemutet werden kann. Ob es für die öffentliche Hand teurer kommt, jemanden in der Schweiz zu unterstützen als im Ausland, ist nicht entscheidend. Einmalige Leistungen können beispielsweise für medizinische Behandlungen ausgerichtet werden. Wird jemand bei der Rückkehr in die Schweiz unterstützt, nimmt der Bund Kontakt mit dem Zielkanton auf. Neben den Rückreisekosten und allfälligen Leistungen bis zur Abreise übernimmt der Bund auch die notwendigen Kosten bei der Ankunft in der Schweiz bis zur ersten Kontaktaufnahme mit dem im Zielkanton zuständigen Sozialdienst. Danach fallen die Unterstützungsleistungen vollumfänglich beim nach ZUG zuständigen Kanton an. Sozialhilfe nach ASG muss ganz oder teilweise zurückerstattet werden, wenn sich die wirtschaftliche Situation der betroffenen Person stabilisiert und verbessert hat.

Geraten SchweizerInnen bei einem vorübergehenden Auslandaufenthalt in eine Notlage, kann ihnen die Schweizer Vertretung ein Notdarlehen gewähren. In akuten Notfällen leistet die Schweizer Vertretung sofort die nötige Hilfe. Von dieser «Touristenhilfe» erfasst werden auch anerkannte Flüchtlinge und Staatenlose mit Wohnsitz in der Schweiz, weil die internationale Verpflichtung besteht, diese Personengruppen gleich zu behandeln wie Schweizer Staatsangehörige. Ebenfalls ein Notdarlehen erhalten AuslandschweizerInnen, die in einem Drittland – weder in der Schweiz noch in ihrem Wohnstaat, wo sie registriert sind – in eine Notlage geraten. Tritt dieser – häufig medizinische – Notfall in der Schweiz ein, ist der nach ZUG zuständige Aufenthaltskanton zur Hilfe verpflichtet. Der Bund erstattet dem Kanton die Notfallhilfe, wenn die betroffene Person gestützt auf das ASG als bedürftig gilt. Ist sie nach Massgabe des ASG nicht bedürftig, aber dennoch nicht in der Lage, die angefallenen Notfallkosten innert nützlicher Frist zu begleichen, gehen die ungedeckten Kosten zu Lasten des unterstützenden Kantons.

Die Schweiz gewährt ihren 751 800 Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen, die im Jahre 2017 in beinahe 200 Ländern rund um den Globus lebten, im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten auch ausserhalb ihres Heimatstaates Sozialhilfe. Dafür besteht keine internationale Verpflichtung. Insofern leistet sich die Schweiz die Sozialhilfe an ihre Bürgerinnen und Bürger im Ausland aus freien Stücken. In der politischen Diskussion überwiegen die Vorteile. Denn im Ausland unterstützte Schweizerinnen und Schweizer müssen im Bedarfsfall ihr soziales Umfeld nicht verlassen und überdies – auch wenn das kein Kriterium für die Gewährung von Sozialhilfe nach ASG ist – wäre eine Rückkehr in die Schweiz bei Personen mit geringem Wiedereingliederungspotenzial in die hiesige Arbeitswelt und Gesellschaft häufig deutlich kostspieliger als ein Verbleiben im ausländischen Wohnstaat. Die Anzahl der im Ausland unterstützten Personen reduzierte sich von 540 Personen im Jahr 2009 auf 336 Personen Jahr 2017. Das Budget für diese Aufgabe betrug laut amtlichen Angaben im Jahr 2018 1,1 Mio. Schweizer Franken. Hauptsächlich stammen die unterstützen Personen aus Mittel- und Südamerika, aus Thailand und den Vereinigten Staaten. Aber auch Bedürftige, die in Italien und Spanien leben, erhalten Sozialhilfe, weil die nationalen europäischen Sozialversicherungssysteme dieser Länder noch in der Aufbauphase sind. Bei der Gewährung der finanziellen Leistungen orientieren sich die Behörden des Bundes an den Richtlinien der Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS).

Literaturhinweise

Bundesrat (1972). Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über Fürsorgeleistungen an Auslandschweizer vom 6. September 1972. Bundesblatt 2(39), 548–571.

Bundesrat (2008). Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über die Schaffung gesetzlicher Grundlagen für die finanzielle Unterstützung von Schweizer Staatsangehörigen im Ausland vom 23. April 2008. Bundesblatt, 20, 3551–3564.

Konsularische Direktion (2016). Sozialhilfe für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer (SAS): Notdarlehen für Personen mit vorübergehendem Aufenthalt im Ausland. Richtlinien. Gültig ab 1. Januar 2016. Bern: Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten.

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