Gibt es einen therapeutischen Imperativ zum genome editing in der menschlichen Keimbahn?

Zusammenfassung: Im Zentrum dieses Working Papers steht die Frage, ob es einen therapeutischen Imperativ geben kann, der uns, in bestimmten Situationen, verpflichten würde, eine Genomeditierung (genome editing) auf Keimbahnebene im Rahmen der assistierten Befruchtung vorzunehmen. Die Antwort auf diese zentrale Frage wird insbesondere mit Bezug auf Fälle diskutiert, in denen das Verfahren der Präimplantationsdiagnostik (PID) keine aus entweder medizinischen oder ethischen oder – aus Sicht der potentiellen Eltern – moralischen bzw. religiösen Gründen akzeptable Alternative zu einem Keimbahneingriff darstellt. Die möglichen Gründe gegen die PID sowie die Erforderlichkeit oder Verzichtbarkeit einer nachfolgenden «Kontroll-PID» ergeben vier verschiedene Fallkonstellationen, denen sich der Beitrag zuwendet. Auf Grundlage von Hypothesen zu kontextuellen Faktoren und theoretischen Annahmen diskutieren wir diese Fälle. Im Ergebnis verweisen wir darauf, dass es, wenn unsere Annahmen zutreffen, vermutlich keinen therapeutischen Imperativ zum genome editing auf Keimbahnebene gibt. Dies begründet sich daraus, dass der Keimbahneingriff vermutlich nicht als personenbezogen (person-affecting) zu bezeichnen ist. Wir weisen jedoch darauf hin, dass unser Ergebnis vorläufig ist und unter Berücksichtigung der bioethischen Debatte und möglicher Einwände genauer geprüft werden muss.

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